In der indisch-theosophischen Tradition wird das Ich annähernd als Kama-Manas bezeichnet, worunter aber mehr das im Egoismus verhärtete niedere Selbst verstanden wird, das Ego, das vornehmlich in der Verstandes- oder Gemütsseele auflebt. Ich und Ego müssen aus geisteswissenschaftlicher Sicht ganz klar voneinander unterschieden werden. Das Ich bildet den unsterblichen Kern des Menschen, während das Ego in seinen vergänglichen leiblichen Hüllen lebt und damit der Sterblichkeit unterliegt.
Das Ich als solches ist nicht als ein irgendwie und irgendwo Vorhandenes fassbar, sondern kann nur in seiner unmittelbaren schöpferischen Tätigkeit, durch die es sich primär selbst beständig neu erschafft, erfahren werden. Durch seine Leibeshüllen ist der Mensch ein Geschöpf höherer Mächte, durch sein Ich jedoch freier Schöpfer seiner selbst.
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Wenn sich der Mensch auf Erden inkarniert, bildet er die Ich-Organisation (auch Ich-Träger oder Ich-Leib genannt) als das höchste der vier grundlegenden Wesensglieder des Menschen und als Quelle des Ich-Bewusstseins aus. Im Ich-Erleben empfindet sich der Mensch als unteilbare Ganzheit, als Individualität oder Monade, die den bestimmenden Mittelpunkt seiner irdisch verkörperten Persönlichkeit bildet und von hier aus nicht nur die Seelenkräfte des Denkens, Fühlens und Wollens leitet, sondern allmählich auch seine leiblichen Wesensglieder vergeistigt und dadurch in seine unsterbliche Individualität integriert. Zuerst wird der Astralleib zum Geistselbst umgewandelt - das Ich ist schöpferisch geworden im Seelisch-Astralischen und dadurch zum höheren Ich aufgestiegen. Später lernt das Ich, auch den Ätherleib zum Lebensgeist und zuletzt sogar den physischen Leib zum Geistesmenschen umzuformen. Seine Schöpferkraft ist dann auch vollbewusst im Lebendigen und im Physischen tätig. (manas-biddhi-atma)
„Für große Geister ist der Augenblick, in dem sie zum ersten Mal im Leben das «Ich» in sich erfahren, sich zum ersten Mal dessen bewußt werden, etwas Bedeutungsvolles. Jean Paul erzählt dieses Geschehnis von sich. Er stand als kleiner Knabe einmal an einer Scheune im Hofe; da erlebte er zum ersten Mal sein Ich. Und so klar und feierlich war ihm dieser Augenblick, daß er davon sagt: «Wie in das verhangene Allerheiligste habe ich da in mein Innerstes hineingeblickt.» Die Menschen haben sich durch viele Rassen hindurch entwickelt und haben sich bis zur atlantischen Zeit alle so objektiv aufgefaßt; erst während der atlantischen Rasse entwickelte sich der Mensch dahin, daß er zu sich «Ich» sagen konnte. Die alten Juden haben das in eine Lehre gefaßt.
Der Mensch ist durch die Reiche der Natur hindurchgegangen. Das Ich-Bewußtsein ging zuletzt in ihm auf. Astral-, Äther- und physischer Leib und das Ich bilden zusammen das pythagoräische Quadrat. Und das Judentum fügte zu diesem das göttliche Selbst hinzu, das von oben herunter zu uns kommt, im Gegensatz zu dem Ich von unten. So war aus dem Viereck ein Fünfeck entstanden. So empfand das Judentum den Herrn seines Volkes, und etwas Heiliges war es daher, den «Namen» auszusprechen. Während andere Namen, wie zum Beispiel Elohim oder Adonai mehr und mehr populär wurden, durfte nur der gesalbte Priester im Allerheiligsten den Namen «Jahve» aussprechen. Zur Zeit Salomos war es, daß das alte Judentum zur Heiligkeit des Jahve-Namens kam, zu diesem «Ich», das im Menschen wohnen kann. Die Aufforderung Jahves an die Menschen müssen wir als eine solche nehmen, die den Menschen selbst zu einem Tempel des heiligen Gottes gemacht wissen wollte. Jetzt haben wir eine neue Auffassung von der Gottheit erhalten, die nämlich: den Gott, der in der Brust des Menschen, im tiefsten Heiligtum des menschlichen Selbst verborgen ist, zum moralischen Gott zu machen. Der menschliche Leib wurde so zu einem großen Sinnbild für das Allerheiligste.“ (Lit.:GA 93, S. 143f)
Ein symbolischer Ausdruck für den Menschenleib, in dem das Ich im Allerheiligsten leben kann, ist etwa die Arche Noah als Vorstufe und dann der salomonische Tempel mit der Bundeslade, die im Allerheiligsten aufbewahrt wird.
„... wenn der Mensch sich zu dieser Entwicklungsstufe gebracht hat, dann spricht sein Selbstbewußtsein in einer ganz anderen, in einer neuen Weise zu ihm. In das verhangene Heiligtum unseres Inneren blicken wir dann in einer ganz neuen Weise. Der Mensch nimmt sich dann wahr als einen Angehörigen der geistigen Welt. Er nimmt sich dann wahr als etwas, was rein und erhaben ist über alles Sinnliche, weil er Lust und Leid im sinnlichen Sinne abgelegt hat. Dann vernimmt er ein Selbstbewußtsein in seinem Inneren, welches so zu ihm spricht, wie die mathematischen Wahrheiten interesselos zu ihm sprechen, aber so zu ihm sprechen, wie mathematische Wahrheiten auch in anderem Sinne sprechen. Mathematische Wahrheiten sind nämlich wahr mit einem Ewigkeitssinn. Was uns in der unsinnlichen Sprache der Mathematik vor Augen tritt, das ist wahr, unabhängig von Zeit und Raum. Und unabhängig von Zeit und Raum spricht dasjenige in unserem Inneren zu uns, was dann vor unserer Seele auftritt, wenn sie sich hinauf geläutert hat zu Lust und Leid an geistigen Dingen. Dann spricht das Ewige mit seiner Ewigkeitsbedeutung zu uns.“ (Lit.:GA 52, S. 201f)
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